Maxi, vermutlich wirst Du diesen Text noch nicht sofort vollständig verstehen. Das ist aber nicht schlimm, Du kannst den Text auch immer noch mal lesen, wenn Du älter bist. Aber ich weiß nicht, ob ich dann noch Gelegenheit habe, mit Dir dann darüber zu sprechen. Ließ ihn einfach, wenn Du Zeit und Spaß daran hast.
Mit Deinem Bruder Henry spreche ich oft über Verantwortung. Zum Beispiel, wenn es darum geht, sein Zimmer aufzuräumen, oder er ganz aufgeregt „verschwundene“ Spielsachen sucht.
Aber
Was ist eigentlich Verantwortung? Und wofür ist man verantwortlich? Und wofür sind vielleicht „die anderen“ (Eltern, Lehrer, Freunde und Bekannte, usw.) verantwortlich?
Keine leichte Frage. Lass uns das genauer anschauen.
Verantwortung für etwas zu haben berührt verschiedene Aspekte:
- Zeiten,
- Personen und
- das Zusammenspiel von Freiheit und Verantwortung
Lass uns zunächst Verantwortung im Zeitablauf anschauen:
Die Vergangenheit ist ja nicht mehr änderbar. Wenn wir also sagen, dass jemand Verantwortung für etwas zu tragen hat, was in der Vergangenheit passiert ist, meinen wir eigentlich, dass er sich für sein Handeln zu rechtfertigen hat. Wer also zum Beispiel eine Straftat begangen hat, kann nach dem Gesetz dafür zur Verantwortung gezogen werden. Er muß dann – soweit möglich – den Schaden wieder gut machen und erhält vermutlich eine Strafe.
Wenn wir davon sprechen, in der Gegenwart oder Zukunft Verantwortung zu übernehmen, hat das den Charakter einer Verpflichtung. Und zwar der Verpflichtung, entsprechend einer Norm zu handeln. Man verpflichtet sich einer Person oder einem anderen Lebewesen gegenüber. Diese Person kannst auch Du selbst sein. Klingt kompliziert, ist aber gar nicht so schwer:
Stellen wir uns vor, Du hast Dir ein Haustier, zum Beispiel einen Hamster gewünscht und auch bekommen. Und Du hast versprochen, Dich immer gut um ihn zu kümmern. Die Norm lautet: Das Haustier soll artgerecht versorgt werden! Es braucht also immer genug Futter, Wasser, Auslauf, einen sauberen Käfig usw. Wenn Du Dich darum kümmerst, wirst Du dieser Norm gerecht, Du erfüllst also die Verantwortung dem Haustier gegenüber.
Um tatsächlich die Verantwortung zu tragen ist weiterhin wichtig, dass Du Dich freiwillig um das Tier kümmerst. Wenn Du statt dessen dazu gezwungen würdest, wärst Du streng genommen nicht mehr verantwortlich.
Fassen wir kurz zusammen:
- Verantwortung für die Vergangenheit hat den Charakter eine Rechtfertigung
- Verantwortung für die Zukunft hat den Charakter einer Verpflichtung
- Ohne Entscheidungsfreiheit, gibt es keine Verantwortung
Ich möchte hier insbesondere auf das Zusammenspiel von Entscheidungsfreiheit und Verantwortung eingehen. Denn diesen Zusammenhang zu verstehen ist enorm wichtig und wird Deine ganzes Leben beeinflussen.
Dazu müssen wir uns aber den dritten Punkt „Entscheidungsgfreiheit“ genauer anschauen. Sind wir Menschen denn tatsächlich „frei“, selbst zu entscheiden was wir tun und lassen? Oder werden wir eher von anderen Dingen bestimmt, quasi gesteuert? Das ist eine Frage, die Philosophen schon viele Jahrhunderte lang leidenschaftlich diskutiert haben. Die einen sagen zum Beispiel:
„Schaut Euch diese Frau an. Ihre Eltern waren schon Kettenraucher, sie ist mit Zigaretten groß geworden, es ist ja logisch, das sie selbst auch schon früh angefangen hat zu rauchen, sie kann gar nichts dafür.“ Tja, blöd an dem Beispiel ist nur, das ihre Zwillingsschwester nie angefangen hat zu rauchen, und sich sogar in einer Anti-Raucher-Vereinigung engagiert hat.
An diesem Beispiel kann man lernen: Wir sind zwar durch die Welt um uns herum beeinflusst, aber nicht bestimmt. Wir bleiben Herr unserer Entscheidungen. Und damit auch verantwortlich.
Ich will aber gern zugeben, dass viele Menschen das anders sehen. Und es ist ja auch irgendwie anstrengend, stets die Verantwortung zu tragen. Darum gehen manche Menschen auch einen scheinbar leichten Weg, und machen andere Menschen oder andere Dinge für die Situation, in der sie sich befinden verantwortlich. Meist sind diese Menschen mit ihrer aktuellen Situation dann sehr unzufrieden. Sie sagen dann zum Beispiel:
- „Ich kann nichts dafür, dass ich schlecht in der Schule bin, meine Lehrer waren so doof“
- „Ich kann nichts dafür, dass ich zu spät gekommen bin, mir ist ein Stau dazwischen gekommen“
- „Ich kann nichts dafür, dass …(Irgendetwas schief gegangen ist)… es war Gottes Wille“
- …und so weiter, und so weiter.
Weißt Du, wenn man nur lange genug sucht, findet man immer jemanden, dem man die „Schuld“ in die Schuhe schieben kann: Freunde, Kollegen, Ehe- oder Lebenspartner, Vorgesetzte, Mitarbeiter, dem Staat, dem Schicksal oder dem „lieben“ Gott.
Götter und Religion sind überhaupt die „Lieblingsverantwortlichen“ von vielen Menschen, denn sie werden nicht widersprechen. Das ist vermutlich einer der Gründe, warum die Menschen Götter und Religionen überhaupt erfunden haben.
Die Sache hat aber einen großen Haken: Wenn man also der Ansicht ist, andere oder anderes sind an allem „Schuld„, also dafür verantwortlich, wie es mir geht und was mir passiert, ist man diesen anderen mehr oder weniger ausgeliefert. Man ist dann zwar nicht mehr selbst verantwortlich, man kann aber auch sein Leben nicht mehr selbst steuern, indem man selbst über sein Leben entscheidet.
Wenn man wirklich daran glaubt, dass Lehrer, Eltern, Nachbarn, Götter, das Schicksal oder wer auch immer für alles verantwortlich ist, kann man ja selbst gar nichts mehr machen. Man ist also von diesen abhängig, und ausgeliefert. Und glaube mir, dass ist echt blöd und ein „besch….“ Gefühl.
Verantwortung und Freiheit sind also zwei Seiten der gleichen Medaille! Wenn Du der Meinung bist, andere Menschen bestimmen Dein Leben, trägst Du zwar keine Verantwortung, verlierst aber Deine Entscheidungsfreiheit. Wenn Du aber der Ansicht bist, Du trägst selbst die Verantwortung für alles, was Dir im Leben widerwährt, hast Du auch die Freiheit zu tun und zu lassen was immer Du willst und für richtig hältst. Du kannst dann Dein Leben nach Deinen Vorstellungen gestalten.
Darum geht es mir, dass Du das verstehst. Denn wenn Du Dich also entscheidest, die Verantwortung für Deine Leben voll selbst zu übernehmen, gewinnst Du gleichzeitig die Freiheit, selbst entscheiden zu können was Du im Leben willst und wohin Du gehst. Die Freiheit, Dein Leben genau so zu gestalten, wie es DIR gefällt.
Ich empfand diesen zweiten Weg immer besser. Vermutlich gar nicht so sehr, weil ich so unglaublich verantwortungsbewusst gewesen wäre. (Das war ich oft nicht). Aber ich wollte einfach nicht, das andere für mich entscheiden oder Kontrolle über mich hatten.
Für Dich selbst und die Situation, in der Du Dich befindest stets die volle Verantwortung zu übernehmen, wird Dich nicht nur glücklicher machen und Dich große Ziele im Leben erreichen zu lassen. Es wird Dir auch die Fähigkeit eröffnen, für andere Menschen Verantwortung übernehmen zu können. Denn bevor man für andere Menschen Verantwortung übernehmen kann, muss man gelernt haben, für sich selbst die Verantwortung zu tragen.
Vielleicht wirst Du jetzt einwenden wollen, „das kann ja gar nicht sein„. Wenn es zum Beispiel regnet und Du eigentlich Fußball spielen wolltest, kannst Du wohl kaum für das blöde Wetter verantwortlich sein.
Für das Wetter nicht. Aber dafür, wie Du mit der neuen, ungeplanten Situation umgehst, denn
die Entscheidungsfreiheit, wie Du mit einer Situation umgehst, hast Du immer!
Ein anderer Junge wäre vielleicht sauer, wenn er wegen des Regens nicht zum Fußball könnte. Er denkt „Ich habe immer Pech, das Schicksal meint es nicht gut mit mir„. (Für ihn ist dann eben das Schicksal „der Schuldige“ und verantwortlich.)
Du könntest aber auch selbst die Verantwortung für das übernehmen, was jetzt passieren soll und sagen: “ Es ist wie es ist, dann nutze ich die Zeit eben sinnvoll anders.“ Und dann spielst Du im Haus oder erledigst etwas, was Du schon lange vorhattest.
Verantwortung zu übernehmen, heißt also nicht, alles, was passiert ist, bestimmt zu haben. Verantwortung heißt, sich nicht davor zu drücken, die Gegenwart und Zukunft zu gestalten. So wie Du es willst und für richtig hältst.
In diesem Sinne wünsche ich Dir für Dein Leben viel Freude und stets das Gefühl, frei und selbstbestimmt zu sein.
Dein Papa.